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Zurück in Japan – Kyokushin, Kamakura & Kämpfergeist

Mein persönlicher Bericht aus Tokio, April/Mai 2025


Von Senpai Son Le – Shinzen Dojo Berlin


Zurück zu den Wurzeln – und ein bisschen weiter


Japan – für mich kein fremdes Land mehr. Es war bereits meine vierte Reise dorthin, aber diesmal stand alles unter einem besonderen Stern. Als offizieller Vertreter Deutschlands für die International Karate Organization World Zen-Kyokushin hatte ich nicht nur organisatorische Aufgaben zu erledigen, sondern auch die Gelegenheit, bekannte Gesichter wiederzusehen, neue Eindrücke zu sammeln – und mich selbst wieder ein Stück zu finden.


Meine erste Reise nach Japan – 2015


Grüngurt, Abenteuerlust und die Faszination Kyokushin



2015 war meine erste Reise ins Land der aufgehenden Sonne. Anlass war damals das IKO 1 World Open Championship, bei dem ich mit Sensei Yoshihiko Nakahata anreiste. Zahari Damyanov wurde damals Weltmeister – eine intensive, prägende Zeit.



Damals war ich Student, neugierig und frei. Ich reiste allein durchs Land: Von Tokio über Kyoto bis nach Nagasaki und Kumamoto.


Ohne offiziellen Verbandshut auf dem Kopf. Einfach als Karateka und Mensch. Und das war gut so.


Japan war damals anders: Weniger digitalisiert als heute, aber trotzdem moderner als Deutschland – ein Widerspruch, der fasziniert. Supermärkte mit sprechenden Kassen und Displays, daneben Läden, die aussahen wie aus der Samurai-Zeit. Diese Mischung aus Technologie und Tradition ist für mich der Inbegriff Japans.


2025 – Wiedersehen mit Verantwortung


In offizieller Funktion für Kyokushin Europa


Diesmal war ich nicht mehr nur Besucher, sondern kam als Landesvertreter der IKO World Zen-Kyokushin Deutschland. Unser Verband wird von Soshi Kazuyuki Hasegawa (9. Dan) geleitet – einem der ältesten Schüler von Sosai Mas Oyama.



Mein Auftrag? Die offiziellen Verbandssiegel für Kyu-Zertifikate und Budo-Pässe abzuholen. Klingt schlicht – ist aber symbolisch wichtig für die wachsende Struktur unseres Verbandes in Europa.


Kamakura mit Shihan Niitsu


Zwischen Tempeln, Bergen und Google Translator


Ein unerwartetes Highlight: Shihan Shigeo Niitsu (6. Dan), den ich 2023 zum ersten Mal persönlich getroffen hatte, nutzte die Gelegenheit und nahm Yusuf und mich mit auf einen Tagesausflug nach Kamakura.


Tempel, Aussichtspunkte, kleine Shops – alles mit viel Herz gezeigt. Die Autofahrt war lang, aber lehrreich. Auch wenn wir per Google Translate kommunizieren mussten (ja, ich kann noch immer kein Japanisch – Asche auf mein Haupt!), haben wir uns gut verstanden.



„Ein Karateka muss nicht laut sein – aber klar.“ – Shihan Niitsu (im Gespräch auf der Fahrt)

Spontan zum Turnier: Vollkontakt hautnah


Als deutscher Gast unter 60 japanischen Organisationen


Während der Rückfahrt erwähnte Shihan Niitsu, dass er am nächsten Tag auf ein Turnier in Ikebukuro müsse. Ich fragte spontan, ob ich mitkommen könne. „Natürlich“, war seine Antwort.


Am nächsten Tag saß ich – in Verbandskrawatte – plötzlich am Tisch der Ehrengäste. Shihan stellte mich zahllosen anderen Vertretern vor. Und ja, ich war beschämt, mich nicht auf Japanisch vorstellen zu können. Trotzdem versuchte ich höflich zu antworten.



Das Turnier war beeindruckend: über 500 Teilnehmer, organisiert von JKJO mit mehr als 60 eingeladenen Organisationen – ausschließlich Vollkontakt-Karate.


Was mich besonders beeindruckt hat: Die Kinder. Gekämpft wurde hart, mit Lowkicks, ohne Brustschutz. In Deutschland undenkbar. Aber hier Teil der Realität.


„Wer sich auf echten Kampf vorbereitet, muss bereit sein, zu fallen und wieder aufzustehen.“ – Turnier-Schiedsrichter beim Eröffnungsspruch

Shoppen, Staunen, Tuning


Tokio zeigt seine vielen Gesichter


Die restlichen Tage nutzte ich, um mit Yusuf Tokio zu erkunden. Wir besuchten Sehenswürdigkeiten, gingen (nicht ganz freiwillig) shoppen – in Tokio wird man regelrecht erschlagen von Eindrücken und Konsum.



Ein echtes Highlight: Ein nächtliches Tuning-Treffen außerhalb der Stadt. Yusuf, Autofan durch und durch, fuhr uns dorthin. Die Autos? JDM-Träume auf vier Rädern. Fotos gibt’s in unserer Galerie.



Abschlusstraining im Hachioji-Dojo


Disziplin, Kampfgeist und Kinder, die zubeißen


Das große Finale unserer Woche: Das Abschlusstraining bei Shihan Niitsu in Hachioji.

Der Ort war wie 2023: eine umgebaute Grundschulklasse. Die Stühle und Tische wurden beiseite geschoben – das ist japanische Disziplin, die ich bewundere.



Das Training startete mit Stretching, angeleitet von einem Schwarzgurt. Danach durften wir uns vorstellen – ich als Berliner Vertreter, Senpai Paul Kniep aus Leipzig und Yusuf aus Berlin.


Es folgten:


  • Kihon mit lockerer Wiederholung

  • Kata rückwärts (Pinan bis Ura!)

  • Padtraining (2 Minuten gefühlt wie 5)

  • Kumite-Runden gegen Schwarzgurte


Die Kinder waren gnadenlos gut – viele von ihnen haben schon Dutzende Turniere bestritten. Yusuf durfte gegen Anju antreten, eine der besten Kämpferinnen des Dojos. Respekt an beide!



Abschied und letzte Aufgaben


Essen, Siegel, Gespräche – und dann ab nach Hause



Nach dem Training übergaben wir deutsche Kinderschokolade an die Schüler – als Zeichen der Freundschaft. Shihan lud uns noch zu einem schnellen Essen bei „Danny’s“ ein – amerikanisch angehauchtes Diner in Japan.


Dort überreichte er uns die offiziellen Verbandssiegel, wir besprachen letzte Dinge – und dann ging alles schnell.


Zurück ins Hotel um 2:30 Uhr, Wecker um 5:30 Uhr. Taxi. Flughafen. 16 Stunden Flug. Und dann: Berlin.


Fazit: Dankbar und müde – aber erfüllt


Ein persönlicher Rückblick


Diese Woche war intensiv. Nicht nur körperlich, sondern auch mental. Ich bin dankbar für die Erfahrungen, die Gespräche, die Kämpfe – aber auch für das, was hinter den Kulissen passiert ist.



Kyokushin ist mehr als Karate. Es ist eine Gemeinschaft, eine Verbindung über Sprache, Grenzen und Titel hinweg.


„Wir sind nicht viele, aber dafür ehrlich.“ – Senpai Son Le


Danke an alle, die diese Reise möglich gemacht haben. Ich freue mich auf das nächste Kapitel – im Dojo, im Verband, und vielleicht bald wieder in Japan.


押忍 – Osu!

Senpai Son

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